Ausstellungseröffnung: DI, 11.04.2023
Eröffnungsrede: Wenzel Mraček
Dauer: FR, 05.05.2023
Die Objekt-Installation „Lampedusa“ von Walter Kratner hat im Grundsatz etwas Klassisches. Das Video zur Installation zeigt ihre diversen
Aspekte. (…) Schlank, durchlässig und in drei getrennten, gleichwohl aufeinander bezogenen Teilen liegt ein Boot, pragmatisch auf kleinen Rollen auf
einem Tuch gelagert, seitlich im Ausstellungsraum. Der Titel „Lampedusa“ verweist auf die rettende, italienische Insel im Mittelmeer, das erste Ziel tausender Flüchtlinge, die auf ein besseres Leben hoffen. Die unerträglichen Meldungen von gesunkenen Schiffen und ertrunkenen Flüchtlingen, die das Ziel nicht erreichen, beherrschen besonders im Frühjahr 2015 die Medien. Die Boots-Installation verweist auf die tragischen, traurigen Geschehnisse im Mittelmeer, das zum Massengrab wird. Zwei der drei farblich einheitlich gestalteten Teile stellen Bug und Heck des zerbrochenen Bootes dar, ohne Außenhaut, gerüstartig angedeutet nur, dabei formschön, wohlproportioniert, unauffällig grau und handwerklich sorgfältig gearbeitet. Der Bug bäumt sich auf und neigt sich zur Seite. Indirekt kommt das Wasser, seine unruhige Bewegung ins Spiel der Vorstellung, das Boot als Spielball der Wellen. Der Schiffbruch ist programmiert. Hölzer mit Nägeln ragen sperrig gebrochen über die verschobenen Bootsteile hinaus. Die Bruchsituation ist sehr bewusst und präzise gestaltet. Sie ist zentral und sie steht im Kontrast zur sorgfältigen handwerklichen Ausführung. Inmitten dieses Bruchs liegt niedrig der dritte Teil, der mit seiner Breite die Bootsteile optisch verbindet und dem Ganzen einen Aspekt von Ruhe gibt. In diesem mittleren Teil liegt in einer Aussparung aus geordneten Lamellen, wie eingebettet, in einem gläsernen Sarg eine weißliche tote Ratte, Sinnbild für Tausende Ertrunkene. Im Video wird sie fokussiert. Sie gibt dem vermeintlich harmlosen Boot eine profunde Schärfe. Zugleich liegt sie unter der Glasabdeckung wie ein Museumsobjekt, Distanz entsteht, das Ekelgefühl wird abgemildert und aufgefangen. Es wandelt sich in Ehrfurcht vor dem Tod.